Autoimmunerkrankungen und deren Heilung aus der Sicht der Functional Medicine
Autoimmunerkrankungen gehören zu den komplexesten und rätselhaftesten Herausforderungen der modernen Medizin. Bei diesen Erkrankungen greift
das Immunsystem fälschlicherweise körpereigene Gewebe und Organe an – als wären sie Fremdkörper. Zu den bekanntesten Autoimmunerkrankungen zählen rheumatoide Arthritis, Hashimoto-Thyreoiditis,
Lupus erythematodes, Multiple Sklerose und Zöliakie. Während die Schulmedizin oft auf die Unterdrückung des Immunsystems setzt (z. B. durch Kortikosteroide oder Biologika), bietet die
Functional Medicine (link) einen innovativen Ansatz: Sie sucht nach den zugrunde liegenden Ursachen des fehlgeleiteten Immunsystems und strebt eine ganzheitliche Heilung an, statt nur
Symptome zu lindern.
Was ist Functional Medicine?
Die Functional Medicine („funktionelle Medizin“) ist ein evidenzbasierter, systembiologischer Ansatz, der Gesundheit als dynamisches
Gleichgewicht zwischen genetischer Veranlagung, Umweltfaktoren und Lebensstil versteht, siehe hier
-
Individuelle Betrachtung: Jeder Patient wird als einzigartiges
biologisches System analysiert.
-
Prävention und Wurzelursachen: Statt isolierter Symptombehandlung werden
Trigger wie Ernährung, Darmgesundheit, Toxinbelastung oder chronischer Stress identifiziert.
-
Interdisziplinäre Integration: Sie kombiniert Erkenntnisse aus Genetik,
Epigenetik, Mikrobiomforschung und Umweltmedizin.
Die Wurzelursachen aus Sicht der Functional Medicine
1. Die Darm-Immun-Verbindung: Leaky Gut und Dysbiose
Der Darm beherbergt 70–80 % des Immunsystems. Ein gesundes Mikrobiom und eine intakte Darmbarriere sind entscheidend für die
Immuntoleranz.
-
Leaky Gut: Chronische Entzündungen, Gluten, Medikamente (z. B. NSAIDs)
oder Pathogene wie Candida albicans schädigen die Tight Junctions der Darmwand. Das Protein Zonulin, das bei Glutenunverträglichkeit freigesetzt wird, spielt hier eine
Schlüsselrolle.
-
Dysbiose: Ein Ungleichgewicht der Darmbakterien fördert die Vermehrung
pathogener Keime, die entzündungsfördernde Lipopolysaccharide (LPS) produzieren. Studien zeigen, dass Patienten mit Autoimmunerkrankungen oft eine reduzierte Vielfalt an
Bifidobakterien und Laktobazillen aufweisen
Bestimmte Nahrungsmittel können Autoimmunreaktionen triggern:
-
Gluten: Bei genetisch prädisponierten Menschen löst Gluten die Produktion
von Antikörpern aus, die nicht nur das Darmgewebe, sondern auch Schilddrüsenzellen angreifen (Hashimoto) oder Gelenke schädigen (rheumatoide Arthritis).
-
Molekulare Mimikry: Pathogene (z. B. Epstein-Barr-Virus) oder
Nahrungsproteine ähneln strukturell körpereigenen Geweben. Das Immunsystem greift fälschlicherweise beides an – ein Phänomen, das bei Lupus und Multipler Sklerose beobachtet wird.
Chronische Entzündungen und oxidativer Stress
Autoimmunerkrankungen sind eng mit einem Zytokin-Ungleichgewicht verbunden: Ein Übermaß an proinflammatorischen Botenstoffen wie
TNF-alpha, IL-6 und IFN-gamma treibt die Gewebezerstörung voran. Auslöser sind:
-
Umweltgifte: Schwermetalle (Quecksilber, Blei), Pestizide und
Mikroplastik stören die mitochondriale Funktion und fördern Entzündungen.
-
Chronische Infektionen: Stille Entzündungen durch Parodontitis,
Lyme-Borreliose oder Herpesviren halten das Immunsystem in Daueralarm.
Hormonelle Dysregulation und Stressachsen
Chronischer Stress aktiviert die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse) und führt zu:
-
Cortisol-Resistenz: Hohe Cortisolspiegel unterdrücken zunächst
Entzündungen, doch bei Erschöpfung der Nebennieren kommt es zum Gegenteil – einem entzündlichen „Burnout“.
-
Östrogendominanz: Östrogen wirkt immunstimulierend. Ein Ungleichgewicht
zugunsten von Östrogen (z. B. durch Xenohormone in Plastik) korreliert mit Autoimmunerkrankungen wie Lupus.
Mitochondriale Dysfunktion
Gestörte Mitochondrien produzieren weniger ATP und mehr reaktive Sauerstoffspezies (ROS), was Entzündungen und Autoimmunität verstärkt
(Zusammenhang mit Fatigue bei MS oder Fibromyalgie).
Diagnostik in der Functional Medicine
Die Functional Medicine nutzt umfassende Labortests, um individuelle Trigger zu identifizieren:
-
Darmgesundheit: Stuhltests auf Calprotectin (Entzündungsmarker), Zonulin,
Darmbakterien und Pilze.
-
Nahrungsmittelunverträglichkeiten: IgG/IgA-Antikörpertests (umstritten,
aber in der Praxis genutzt) oder Eliminationsdiäten.
-
Entzündungsmarker: CRP, Homocystein, TNF-alpha.
-
Toxinbelastung: Schwermetalltests im Urin, Toxin-Screening.
Heilungsstrategien der Functional Medicine
Das Ziel ist, das Immunsystem zurück in die Balance zu bringen (Immunmodulation) und die Selbsttoleranz wiederherzustellen.
1. Ernährung als Fundament
-
Eliminationsdiät: Auslassphase von Gluten, Milchprodukten, Eiern,
Nachtschattengewächsen und Zucker für 4–6 Wochen, gefolgt von schrittweiser Wiedereinführung.
-
Anti-entzündliche Kost: Omega-3-reiche Lebensmittel (Wildlachs,
Leinsamen), Kurkuma, Ingwer, Beeren und grünes Blattgemüse.
-
Autoimmun-Protokoll (AIP): Eine strikte Variante der Paleo-Diät, die alle
potenziellen Allergene entfernt und auf Heilung des Darms abzielt.
2. Darmheilung
-
Probiotika: Stämme wie Lactobacillus rhamnosus GG und
Bifidobacterium infantis stärken die Darmbarriere.
-
Präbiotika: Resistente Stärke (Kochbananen, gekühlte Kartoffeln) füttert
nützliche Bakterien.
-
Therapeutische Nährstoffe: L-Glutamin (Reparatur der Darmzotten),
Zink-Carnosin und Kolostrum.
3. Reduktion von Toxinbelastungen
-
Entgiftung unterstützen: Nährstoffe wie Selen, Mariendistel und
Alpha-Liponsäure aktivieren Phase-I/II-Enzyme der Leber.
-
Umweltmaßnahmen: Filter für Luft und Wasser, Verzicht auf Plastik,
natürliche Körperpflegeprodukte.
4. Stressmanagement und Schlaf
-
Mind-Body-Techniken: Meditation, Yoga und Atemübungen senken Cortisol und
IL-6.
-
Schlafhygiene: 7–9 Stunden Schlaf in dunkler Umgebung fördern die
Regeneration der T-Zellen.
5. Gezielte Supplementierung
-
Vitamin D: Moduliert regulatorische T-Zellen (Tregs), die
Autoimmunreaktionen unterdrücken.
-
Omega-3-Fettsäuren: Hemmen die Produktion entzündlicher
Prostaglandine.
-
NAC (N-Acetylcystein): Erhöht Glutathion, das Hauptantioxidans des
Körpers.
-
Low-Dose Naltrexone (LDN): Blockiert vorübergehend Opioidrezeptoren, was
die Endorphinproduktion und Immunbalance fördert.
6. Behandlung chronischer Infektionen
-
Virale Last reduzieren: Antivirale Pflanzen wie Süßholz oder
Olivenblattextrakt bei EBV-Infektionen.
-
Parasiten und bakterielle Überwucherung: Kräutertherapien (z. B.
Berberin) oder gezielte Antibiotika bei SIBO (Dünndarmfehlbesiedlung).